Initiative Natur- und Kulturraum Dornach-Arlesheim

Steiner AG hält Versprechungen nicht ein: Rechtswidrige Schädigung des Naturschutzgebiets Schwinbach-Aue hält unverändert an

Ausgetrocknetes Gerinne der Quelle Nord im geschützten Feuchtgebiet Schwinbach-Aue am 13. März 2021

Liebe Freunde des Natur- und Kulturraums Dornach-Arlesheim

Mit diesem Newsletter möchten wir Ihnen einen Überblick geben über die seit Jahreswechsel erfolgte Trockenlegung und Verschmutzung des Naturschutzgebietes Schwinbach-Aue. Auf die unmittelbare Gefahr einer schweren Schädigung und Trockenlegung des geschützten Feuchtgebietes durch das Bauprojekt La Colline haben zuletzt drei biologische Gutachten, die wir im vergangenen Jahr vor Baubeginn veröffentlicht haben, eindringlich hingewiesen. Ein deshalb von der Fondation Franz Weber sowie der Initiative Natur- und Kulturraum Dornach-Arlesheim (IDA) vorgeschlagener Runder Tisch wurde jedoch von den Verantwortlichen abgelehnt. Wegen des schwerwiegenden Einwandes der Gefährdung des Naturschutzgebietes waren übrigens bereits 2013 Einsprachen gegen den Quartierplan erhoben worden. Diese wurden jedoch ohne die nötige Prüfung durch Fachpersonen für Natur- und Gewässerschutz von den Behörden abgelehnt.

Mit dem Ziel grösstmöglicher Transparenz veröffentlichen wir hier zudem umfassende Laboranalysen der Wasserqualität im Feuchtgebiet. Im Weiteren möchten wir Sie auf drei wichtige Zeitungsartikel zum Thema hinweisen, darunter ein Interview mit dem Hydrogeologen Prof. Dr. Peter Huggenberger sowie zwei Artikel in der Basler Zeitung und im Wochenblatt zur fehlenden öffentlich-rechtlichen Absicherung der von der Bauherrschaft angekündigten, jedoch bisher nicht eingehaltenen Massnahmen.

Zusammenfassung der aktuellen Situation

Nach Berichterstattung der Medien über die Trockenlegung und Verschmutzung des Naturschutzgebiets «Schwinbach-Aue» durch die Bauarbeiten für La Colline haben die Steiner AG als Bauherrin und das Goetheanum als Eigentümer des Schutzgebiets am Donnerstag vor Ostern, 31. März eine gemeinsame Medienmitteilung verfasst. Bei deren Erscheinen war das Naturschutzgebiet allerdings durch Trockenlegung und zahlreiche Verschmutzungen mit belasteten Baustellenabwässern bereits schwer geschädigt. Auch drei Wochen nach Erscheinen der Medienmitteilung werden die darin von der Bauherrschaft gemachten Versprechen bisher nicht eingehalten – die rechtswidrigen Schädigungen der geschützten Fauna und Flora der Feuchtgebiete gehen unverändert weiter. Es fehlen weiterhin wirksame Sofortmassnahmen zur Erfassung und Begrenzung der Schäden. 

Auch die langfristige Perspektive ist besorgniserregend: Es fehlt die notwendige öffentlich-rechtliche Sicherung der angekündigten Massnahmen zur Schadensbegrenzung. Zudem bleibt die Problematik des Denkmalschutzes ungelöst. Die zwei südlichsten Wohnblöcke des Bauprojekts sind weiterhin in der ISOS-Schutzzone des Goetheanum-Ensembles mit höchstmöglichem Erhaltungsziel und der Vorgabe «kein Baugebiet» geplant (ISOS: Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung).

Aufgrund der Bauarbeiten trockengefallene Hauptaustrittsstelle der Nordquelle. Der Schlauch der Notbewässerung aus der Bauparzelle führte zum wiederholten Mal auch vergangene Woche kein Wasser. Foto vom 23. April 2021.

Rechtswidrige Trockenlegung und Verschmutzung des Naturschutzgebiets

Nur zwei Tage nach Beginn von Bauarbeiten neben der Naturschutzzone wurden im Februar dieses Jahres zuerst die nördliche und kurz darauf die südliche Quelle des Naturschutzgebietes trockengelegt. Gleichzeitig fiel infolge der baulichen Massnahmen für «La Colline» der von den beiden Quellen gespeiste Weiher in der benachbarten, ebenfalls geschützten Grünzone weitgehend trocken.

Weitgehend trockengefallener Teich im Unterlauf der versiegten Nord- und Südquelle. Foto vom 10. April 2021.

Durch Laboranalysen im Auftrag der Initiative IDA wurden ausserdem seit Baubeginn zahlreiche, bis heute auftretende Verschmutzungen des Naturschutzgebietes durch Baustellenabwässer nachgewiesen und jeweils den zuständigen Behörden gemeldet. Verteilt über die gesamte bisherige Bauphase wurden an 14 von 15 Probenahmetagen im Labor Verschmutzungen des Quellwassers bzw. der Notbewässerung festgestellt.

Betonabwasser, Schwermetalle und ausgeprägte Wassertrübungen (Verschlammung) kontaminieren die Feuchtgebiete und führen zusammen mit der Trockenlegung zu kumulativer Schädigung der geschützten Fauna und Flora.  Hierbei wurden die Anforderungen der Gewässerschutzverordnung für oberirdische Gewässer betreffend ökotoxisch relevante Substanzen und Parameter wie Nitrit, Chrom-VI, weitere Schwermetalle, pH und Trübung vielfach verletzt.

Kurz nach Start der Pfählbohrungen und Betonierarbeiten plötzlich aufgetretene, starke Trübung des Quellwassers im Naturschutzgebiet (Quelle Nord), Fotos kurz vor und während der Trübung am 18. Januar 2021

Die Initiative IDA möchte ihre Messungen im Naturschutzgebiet neben den Behörden auch der Öffentlichkeit zugänglich machen. Eine kurze Zusammenfassung der Wasseranalysen im Naturschutzgebiet inkl. der detaillierten Laborberichte der vergangenen vier Monate finden Sie auf unserer Webseite.

Wasseranalysen im Naturschutzgebiet (pdf)

Ineffektive Notmassnahmen

Nach intensiven Bemühungen von Seiten der IDA bei den zuständigen Behörden wurde im März eine – leider ungenügende – Notbewässerung installiert (Einleitung von auf der Bauparzelle gefasstem Hangwasser über Schläuche). Die Notbewässerung erfolgte allerdings zu spät. So lag der nördliche Quellbach des Naturschutzgebietes bis zur Einleitung von Ersatzwasser knapp vier Wochen weitgehend trocken.

Ausserdem stellte die Bauherrschaft von Anfang deutlich zu wenig und wiederholt gar kein Ersatzwasser zur Verfügung. Bis heute ist keine ausreichende Notbewässerung vorhanden. Ende März gelangten gar zweimal stark verschmutzte Betonwässer mit einem pH-Wert von 12 über die Notbewässerung direkt in die geschützten Quell-Lebensräume.

Trockengefallenes Bachgerinne der Nordquelle. Die Versinterung der im Bachbett liegenden Äste und Steine zeigt, dass diese früher wasserüberströmt waren. Zahlreiche auf Quelllebensräume spezialisierte Arten sind auf diese Überströmung angewiesen. Bild vom 1. März 2021

Schädigung der geschützten Fauna und Flora

Dementsprechend wies eine Verlaufsuntersuchung der Nordquelle durch den Quellspezialisten Dr. Daniel Küry bereits am 13. März eine Schädigung der Fauna der Quelllebensräume nach – etliche zwingend wasserabhängige, in einer früheren Untersuchung festgestellte Arten waren nicht mehr auffindbar. Herr Küry kommt in seiner Untersuchung unter anderem zum Schluss: «Die am 13.03.21 vorgefundene Situation stellt eine Schädigung und hochgradige Bedrohung für die Quell-Lebensgemeinschaft in der Quelle Nord dar und ist sofort zu beheben.» Ebenso konnte diesen Frühling – zum ersten Mal seit Jahren – kein Laich im Naturschutzgebiet beobachtet werden.

Neben der offensichtlichen Trockenlegung der Quellbäche kann zusätzlich ein Rückgang der Bodenfeuchte beobachtet werden. Mittelfristig ist insbesondere durch die kumulative Wirkung der verschiedenen, über Monate anhaltenden Schädigungsmechanismen das weitere Verschwinden der Arten der Feuchtgebiete zu erwarten.


Aktuelle Situation

Seit Mitte April ist zum dritten Mal die von Beginn an unzureichende Notbewässerung stark zurückgegangen auf aktuell ein Drittel des ursprünglich eingeleiteten Wasserflusses (zurzeit stehen weniger als 5 L/min für das gesamte Feuchtgebiet zur Verfügung). Die Quellgerinne erhalten seit Tagen kaum noch Wasser, was die betroffene quellwasserabhängige Fauna weiter schädigt.

Eine kürzlich erfolgte Wasseranalyse im Auftrag von IDA zeigte erneut eine Verschmutzung des Restwassers mit Betoninhaltsstoffen sowie erhöhtem pH-Wert. Gleichzeitig war von blossem Auge eine Ablagerung weisser Betonrückstände in der Nordquelle zu beobachten.

Weisse Ablagerung im Quelltopf der Nordquelle als von blossem Auge sichtbares Zeichen der Verschmutzung des Restwassers durch Betoninhaltsstoffe. Bild vom 15. April 2021

Entgegen den Versprechen der Bauherrschaft fehlt weiterhin eine kontinuierliche Überwachung der kritischen Wasserparameter an den relevanten Stellen. Ein funktionierendes Alarmierungs- und Interventionskonzept bei Verschmutzung und Rückgang der Notbewässerung liegt nicht vor. Die Betonwassereinträge und anhaltenden Probleme mit der Notbewässerung werden daher von der Bauherrschaft gar nicht erst bemerkt. Sie müssen von der IDA ehrenamtlich überwacht und jeweils den Behörden gemeldet werden, bevor eine Intervention versucht werden kann.

Vier Monate nach Beginn der Schädigungen stehen somit immer noch keine effektiven Notmassnahmen zur Schadensbegrenzung zur Verfügung.

Anfragen der IDA für Gespräche mit der Bauherrschaft Steiner AG, bei welchen wir auch unsere Beobachtungen und Messungen zum Schutz des Feuchtgebietes hätten zur Verfügung stellen können, wurden sowohl im vergangenen wie in diesem Jahr abgelehnt.



Auch die langfristige Perspektive ist besorgniserregend

Seit vergangenem Jahr weist die Bauherrschaft öffentlich darauf hin, dass ein bestehendes Entwässerungskonzept für die Bauparzelle den Schutz der Feuchtgebiete gewährleisten solle. Dieses Drainagekonzept wurde jedoch einzig zum Zweck des Immobilienschutzes und daher ohne Beizug der nötigen Fachpersonen für Natur- und Gewässerschutzfragen entwickelt. Gemäss Einschätzung von mittlerweile vier Biologen sowie eines Hydrogeologen kann das Konzept den Erhalt des geschützten Feuchtgebietes jedoch nicht gewährleisten. Vielmehr sei dadurch gar eine zusätzliche Schädigung des Naturschutzzone zu erwarten.

Dieses aus naturschutzfachlicher Sicht ungeeignete Drainagekonzept soll gemäss der nun veröffentlichten Medienmitteilung der Steiner AG und des Goetheanums unter Zeitdruck und ohne Korrekturmöglichkeiten um weitere Massnahmen «erweitert» werden.

Statt mit der nötigen Sorgfalt ein bestmögliches Konzept für die langfristige, schadensbegrenzende Ersatzbewässerung des Naturschutzgebietes zu entwickeln, wurde nach der rechtswidrigen Trockenlegung der Quellen unverändert weitergebaut. Im April wurden in dem für das Naturschutzgebiet kritischsten, südlichen Bereich der Bauparzelle ein Teil der Fundamentplatten bereits betoniert. Mit dem damit geschaffenen Fait accompli ist das zubetonierte, dringend benötigte Wasser für eine gezielte Wasserführung nicht mehr zugänglich. Sollten allfällige Massnahmen z.B. hinsichtlich Menge, Lokalisierung und Qualität des Wassers nicht den gewünschten Erfolg zeigen, dürften damit entsprechende Korrekturen kaum mehr möglich sein.

Schliesslich müssten die angekündigten technischen Massnahmen zur Bewässerung gewartet und ihr Effekt auf das Naturschutzgebiet überwacht und angepasst werden. Das Land und die Bauten werden jedoch an zahlreiche neue Eigentümer verkauft. Wer die Betreuung der angekündigten technischen Massnahmen und damit die Verantwortung für das Naturschutzgebiet nach Verkauf des Gebiets durch die Steiner AG übernehmen wird, ist jedoch wegen der fehlenden öffentlich-rechtlichen Absicherung völlig offen.

Diese langfristige Problematik sowie die entgegen den Versprechen andauernden Schädigungen zeigen, dass der Erhalt eines Naturschutzgebietes nicht zur privaten Angelegenheit zwischen Eigentümern werden darf, sondern im Dienst der Allgemeinheit auch für die kommenden Generationen öffentlich-rechtlich geregelt werden muss. Die Fondation Franz Weber setzt sich daher weiter vor Bundesgericht für den Schutz des Gebietes ein.

Blick vom südlich gelegenen Goetheanum-Hügel Richtung Bauparzelle La Colline mit blauem Bauzaun, welcher bis unmittelbar zum Naturschutzgebiet Schwinbach-Aue reicht. Wie die Gebäude des Glashauses (links) und des Verlagshauses ist das Feuchtgebiet zudem Teil der ISOS-Zone mit höchster Schutzstufe. Im Hintergrund die beiden Bohrtürme für die Pfählbohrungen sowie die ebenfalls denkmalgeschützte Ermitage mit Schloss Birseck. Foto vom 29. Januar 2021.

Bitte um Spenden für Wasseranalysen und Fachgutachten

Wenn Sie unsere Tätigkeiten unterstützen möchten, sind wir für finanzielle Beiträge sehr dankbar.

Das Initiativkomitee arbeitet ehrenamtlich. Aktuell bringen jedoch zahlreiche Wasseranalysen, welche wir bei einem renommierten Labor in Auftrag geben, sowie weitere Fachgutachten grössere Ausgaben mit sich, sodass wir uns über jede Unterstützung sehr freuen. Ihre Spende ermöglicht, dass wir unsere Arbeit zum rechtmässigen Schutz des wertvollen Gebiets am Schwinbach
auch künftig mit voller Kraft weiterführen können. Ganz herzlichen Dank!

Die Kontoangaben lauten:

IBAN: CH98 8080 8001 4379 0529 1
SWIFT: RAIFCH22939

zugunsten der

Initiative Natur- und Kulturraum Dornach-Arlesheim
Butzenstrasse 7
CH-8038 Zürich

Neu ist auch eine Überweisung via TWINT möglich:

Wir danken Ihnen ganz herzlich für das Mittragen unserer gemeinsamen Bemühungen zum Schutz dieses einmaligen Natur- und Kulturraums!

Für die Initiative Natur- und Kulturraum Dornach-Arlesheim (IDA)
Jennifer Mc Gowan, Nicole Huber und Ueli Steiger


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Fotos: Christian Jaeggi (letztes Bild), Ueli Steiger

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